Der Kochsche Wüstenschlitten
Viele der anderen Teams kamen im Laufe der Rallye auf uns zu und fragten ungläubig, was wir mit den Eiern angestellt hätten, dass wir selbst da durch den Tiefsand gekommen sind, wo einige der Allradler stecken blieben. Die halb ernsten Vermutungen gingen bis zu einem Umbau auf Allrad, heimlichen 4×4 Begleitfahrzeugen, die uns rausgezogen hätten oder einer Betankung mit Raketen-Sprit…. Fakt war auf jeden Fall, dass wir bis zum Ende der Rallye nur ein einziges Mal auf der „Einsandeliste“ auftauchten:
Und da war noch nicht mal Sand dran Schuld!
Tobias fungierte mit Cobra II zu diesem Zeitpunkt als Führungsfahrzeug und hatte einen Beduinenführer an Bord, der ihm und allen Anderen anzeigen sollte, wo der Strand befahrbar ist und wo nicht (Für Europäer sieht das einfach alles nach „Sand“ aus.). Als er ein Algenfeld erreichte, welches sich quer zum Strand hin zog, machte der Führer keine Anstalten den Untergrund näher zu betrachten oder Fahranweisungen zu geben, wie er das schon viele Male zuvor gemacht hatte. Dementsprechend fuhr Tobias nur mit mäßiger Geschwindigkeit über die Algen und steckte nach ca. 3 Metern bis zu den Achsen im stinkenden Grünzeug fest.
Also weder Sand noch unser Fehler (Ich, als zweites Fahrzeug, kam hinter ihm problemlos mit Vollgas durch)! Nur um das mal klargestellt zu haben….
Lange Rede kurzer Sinn: Es wird Zeit das Geheimnis unseres Erfolges zu lüften!
Das Geheimnis war eine Mischung aus Speed, Zufall und meiner Faulheit.
Die beiden letzten Dinge mündeten in einen nahezu perfekten Unterfahrschutz für unsere Eier!
Falls später nochmal jemand mit einem Mazda 121 DB durch die Wüste will, gibts daher hier eine lose Bauanleitung für den „Kochschen Wüstenschlitten“:
Wie ihr euch vielleicht erinnert, hatte Antje zwei 1qm-Stahlplatten organisiert. Wir hatten aber leider niemanden gefunden, der sie uns unter die Autos schraubt. Also musste ich (unterstützt von Tobias und unserem Vater) da mal wieder selbst ran. Die Schablone hatte ich ja schon aus Pappe gebastelt und musste sie nur noch auf das Blech übertragen:
Für die Haltelaschen hatte ich mir überlegt, dass wir sie nicht schweißen (weil es niemand von uns kann), sondern einfach aus dem vollen Material biegen. Dementsprechend wurden die Papp-Distanzstücke in Grundschul-Manier „abgerollt“ und umzeichnet:
Nun flink die Flex geschwungen und ausgeschnitten (Ja, ich weiß, dass da der Funkenschutz fehlt. Ich finde das auch nicht gut und habe versucht, ein ernstes Wort mit dem zuständigen Minister für Materialbeschaffung zu reden. Der hat das aber mit einem, von Jahrhunderten der Weisheit gespeisten, „Aaaccchhhh…“ abgetan.):
So sah das Blech dann im Rohbau aus:
Eigentlich war es noch ein ganzes Stück zu lang, so dass es vorne über das Ei hinaus stand, aber ich war (glücklicherweise) zu faul, dort auch noch einmal vorher zu ziehen.
Anschließend wurden Feinmechanikerwerkzeuge ausgepackt, um die Haltelaschen umzulegen. Kante 1:
Kante 2:
Fertige hintere Laschen:
Erfreulicherweise fanden sich unter den Eiern genügend dicke Schrauben, so dass wir für die Bleche lediglich ein neues Loch bohren mussten. Hinten links hängt das Blech an einem der Bolzen, der die Getriebetraverse hält. Hinten rechts haben wir mittig ein Loch in dieses Versteifungsblech gebohrt:
Die Rückseite ist so recht gut zugänglich, wenn man das Blech mal für Reparaturarbeiten abnehmen muss.
Nachdem das Blech nun hinten fest war, mussten wir noch vorne die Haltelaschen basteln. Als erstes fiel uns aber auf, dass bei beiden Eiern zwei kleine Metall-Stege an der Getriebetraverse im Weg waren und sich das Blech so nicht an der Karosserie anlegen ließ:
Nach kurzer Beratung leuchtete niemandem von uns ein Sinn dieser Stege ein und sie wurden kurzerhand abgeflext:
Wir mussten an diese Stelle auch so nah wie möglich ran, da der linke „äußere“ Bolzen der Getriebe-Traverse auch hier als Aufhängungspunkt dienen sollte.
Der Dremel mit Trennscheibe schnitt dann eine Lasche mit Langloch aus dem Blech. Das Langloch ist vorne auf beiden Seiten notwendig, da man die Laschen am Auto zurecht biegen muss und so nie genau vorhersagen kann, wo das Loch für den Bolzen später sein wird:
Um die Laschen möglichst genau an die Form der Haltepunkte anzugleichen, hat sich ein alter Schraubenzieher und ein Körner als Meißel sehr verdient gemacht! Vorne links sah es montiert dann so aus:
Mittlerweile war es Nacht geworden, aber da es nur noch zwei Tage bis zur Abfahrt waren, musste weiter gearbeitet werden:
Vorne rechts diente die Verschraubung des Querstabilisators uns als Aufhängungspunkt:
Damit beendeten wir unser Tagewerk. Am nächsten Morgen war es zwar wieder hell, aber dafür herrschte schöner Novemberregen, so dass wir, mal wieder, ein provisorisches Werkstattzelt aufbauen mussten:
So sahen die beiden vorderen Laschen bei Tageslicht aus:
Da die Bleche ja dank meiner Faulheit vorne über standen, mussten wir sie noch vorne hoch biegen. Dazu diente wieder Feinmechanikerwerkzeug:
Bei Version 1.1 von Cobra I, welche wir danach anfertigten, habe ich noch die Spitzen Ecken des hoch gebogenen Teils abgeschnitten. Das reduziert das Verletzungsrisiko bei der Handhabung.
Fertig montiert sah der Wüstenschlitten bei Cobra II dann so aus:
Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnten, war, wie perfekt unsere Konstruktion funktionierten sollte!
Bei Fahrten durch Tiefsand ist das große Problem weniger der fehlende Allradantrieb, als die mangelnde Bodenfreiheit!
Sobald zerklüftete Unterbodenstrukturen, wie z.B. Achsen, Motor-/Getriebeträger, Ölwannen, Stabilisatoren, Querträger oder Benzintanks den Sand berühren fungieren sie wie ein Schneepflug, was einen unglaublich abbremst, bis man fest steckt. Viele andere Teams hatten zwar in Daklah Stahlplatten unter ihre Ölwannen montieren lassen, um sie gegen Steinschläge zu schützen, aber ihre Unterboden waren immer noch sehr zerklüftet.
Bei den Eiern wollte der Zufall es so, dass unsere Unterfahrschutze nahezu alle vorstehenden Teile abdeckten und eine ebene Fläche bildeten. Hinter unseren Platten ging der ebene Unterboden weiter und auch der Tank schließt beim Mazda 121 DB bündig mit dem Unterboden ab.
Unsere Boliden waren von unten also nahezu glatt, was die Bremswirkung des Sandes sehr verminderte. Das ich die vorderen Kanten des Bleches nicht abgeschnitten, sondern hoch gebogen hatte, war ebenfalls von großem Vorteil. Die normalen nahezu geraden Platten der Anderen fungierten häufig als Schaufel, wenn die Wagen in den Sand eintauchten und brachten einen zusätzlichen Bremseffekt. Unsere hoch gebogene Front hingegen, brachte uns einen Kufen-Effekt, welcher die Fahrzeuge auf den Sand hob und ihm keine Möglichkeit zum abbremsen gab. Es waren also echte Schlitten, die wir da konstruiert hatten.
Und genauso funktionierten sie dann auch in der Wüste!
Sobald unsere winzigen 13-Zoll Reifen in eine der tiefen Geländewagen-Spuren einsanken, lag unser Unterboden auf und wir rutschten meterweit über den Sand, bis die Räder wieder etwas festeren Untergrund zu fassen bekamen und uns weiter zerren konnten.
Das, in Verbindung mit dem sehr guten PS-pro-KG-Verhältnis und dem Umstand, dass wir immer mit ca. 80 km/h (Spitze war einmal bei mir 110 km/h, die 4×4 beschränkten sich häufig auf ca. 50 km/h) durch die Wüste unterwegs waren, führte dazu, dass uns keines der Tiefsandfelder aufhalten konnte.
Ich sage euch: Ein riesen Spaß!
Das unsere Konstruktion überraschenderweise nahezu perfekt war, zeigte auch unsere finale Inspektion in Gambia. Natürlich ließen Tobias und ich es uns nicht nehmen, eine der Schlitten abzubauen und ihn nach 7500 km hartem Einsatz zu inspizieren.
Das ist die Oberseite Richtung Motor:
Und hier die Unterseite:
Die größte Verformung fand sich hinten rechts:
Dadurch, dass der Schlitten häufig das gesamte Gewicht des Vorderwagens tragen musste, hat er sich hier ein wenig platt gedrückt. Die Aufhängung selbst war aber weder eingerissen, noch sonst wie strukturell geschwächt. Bei Version 1.2 würde ich die Lasche dort nicht 12 cm hoch machen, sondern nur 8 cm. Das dürfte das Problem beheben.
Weiterhin fanden sich noch zwei, von der Oberseite her kommende, Beulen:
Die Ursache hierfür waren die beiden serienmäßigen „Nasen“ neben der Getriebeöl-Ablassschraube:
Sie hatten sich ebenfalls durch das Fahrzeuggewicht dort eingedrückt. Die Beulen waren aber ungefährlich und ich würde wohl nichts an dieser Stelle ändern.
Eine weitere Verbesserung für Version 1.2 hätte ich aber noch:
Ich würde auch die hintere Kante des Schlittens hoch biegen, damit er nicht beim rückwärts fahren als Schaufel fungiert oder sich an Steinen verhakt. Das ist eine durchaus realistische Gefahr, welche wir vorher einfach nicht gesehen haben.
Ansonsten wüsste ich nichts, dass es noch zu verbessern gäbe.
Die Dinger waren großartig und ich bin sehr stolz auf sie!